Mit dem Kauf eines Eigenheims haben wir uns erstmals richtig aktiv etwa ab Frühjahr 2011 beschäftigt. Die kleine Familie war im Begriff sich um einen Erdenbürger zu erweitern, zudem stellte sich angesichts der Finanzkrise immer mal wieder die Frage: "Was ist Geld im Alter wohl noch wert? Und: "Ist eine Immobilien in diesen Zeiten vielleicht die beste Vorsorge für's Alter?" Ja, das könnte so sein.
Also: Projekt beschlossen - und dann gingen die Fragen und Herausforderungen auch schon los. Haus oder Wohnung? Altbau, Neubau, modernisiert, Ausbauhaus, in der Stadt, am Rand oder im Umland?
Recht schnell waren wir uns einig, dass wir in unserem bisherigen Viertel Berlins bleiben wollen.
Also begannen wir die einschlägigen Immobilienangebote im Internet abzusuchen und unsere Suchkriterien so zu speichern, dass wir immer eine Email bekamen, wenn es ein neues Angebot gab. Wer das mal gemacht hat, weiß, wieviel Schrott da hereinkommt. Projektierte Häuser, Häuser ohne Grundstück, Lockangebote für Wohnungen uvm...
Ziemlich schnell wurde uns klar, dass die echte Auswahl mit unseren Kriterien und unseren finanziellen Vorstellungen recht begrenzt war. Kein Wunder, so wie wir suchen offensichtlich viele andere auch, egal, ob wir nach einer Wohnung schauten oder nach einem Haus. Zumal in den aktuellen Zeiten, wo eine Immobilie weiterhin als wertbeständig gilt.
Um Ostern 2011 haben wir uns erstmals das neue Baufeld der Interhomes AG angeschaut - zu der Zeit nur ein verwilderter Sandplatz. Leer. Nichtssagend. Ziemlich unschön.
Es war also Phantasie gefragt. Ok, in der Gegend stehen schon Häuser von Interhomes und ein Musterhaus hatten sie auch recht ansehnlich hergerichtet. Doch mehr als ein Poster mit einem zweidimensionalen Lageplan bekamen wir vom neuen Baufeld nicht zu sehen.
Und da war dieses riesige Kraftwerk in dessen Halbschatten die neue Siedlung gebaut wurde. Ein Anblick, der mich an Homer Simpsons' Wohnen in Blickweite seines AKWs erinnerte. Hier sollte ich mich niederlassen? Ufz...
Klar, das Musterhaus war schön eingerichtet, qualitativ hochwertig anmutend, selbstverständlich in den wärmsten Worten vom Verkäufer beschrieben...
Zu dem Zeitpunkt hatten wir noch nicht viele Alternativen gesehen, standen erst am Anfang unserer Suche. Und dann dieses Kraftwerk. Nee, hier zu kaufen, das kam irgendwie nicht in Frage. Es sollte ja perfekt sein, wenn wir schon so viel Geld ausgeben und uns so lange finanziell binden...
Apropos perfekt: Nach vielen Monaten des Suchens ist eines klar geworden - die perfekte Immobilie gibt es nur, wenn man unbegrenzte Mittel hat oder endlos Zeit gepaart mit unverschämt viel Glück hat. Schade, hatten wir beides nicht. Also wurde klar, dass wir Abstriche machen mussten, Kompromisse eingehen würden - oder die Finger davon lassen sollten. Und das kann ich nur jedem raten, sich klar zu machen. Kompromisse machen!
Worin können diese Kompromisse liegen?
Will ich in Zemtrumsnähe wohnen oder ist außerhalb ok? Ist das vermeintlich günstiger oder habe ich höhere Fahrtkosten zur Arbeit?
Will ich ein Haus oder eine Wohnung?
Wenn ich, wie wir letztlich, ein Haus bevorzuge, bin ich der Gartentyp oder hab ich so gar keinen grünen Daumen?
Will ich ein freistehendes Haus oder ein Reihenhaus?
Möchte oder brauche ich dazu einen Keller?
Wo steht mein Auto - Garage, Stellplatz, Straße?
Wie weit sind Supermarkt, Kita, Schulen, Arbeitswege?
Kaufe ich einen Neubau oder etwas Gebrauchtes?
Und, und, und...
Meine Ausgangsidee war in etwa so:
Ein Haus, freistehend oder Reiheneckhaus. Unter keinen Umständen ein Reihenmittelhaus! Gerne gebraucht aus den 30er Jahren mit zwei Vollgeschossen und Walmdach.
Im Tempelhofer Fliegerviertel stehen solche Bauten beispielsweise. Aber Tempelhof geht gar nicht.
150 Quadratmeter bitte. Ein trockener Keller auf jeden Fall.
Ok, ein Modernisierungsobjekt wäre auch denkbar, geringerer Kaufpreis, KfW-geförderter Ausbau. Gebühren für einen Makler? Eher nicht, wenn überhaupt, dann den halben Provisionssatz. Lieber ein kleinerer Garten nach Süden oder Südwesten, in ruhiger Lage ohne Frage. Da meine Frau es nicht so mit der Gartenarbeit hat, will ich auch nicht nur noch damit beschäftigt sein. Von daher sollten es nicht mehr als 500 Quadratmeter Grund werden - reicht.
Wer nicht abwarten kann - was wir am Ende gekauft haben, ist etwas gänzlich Anderes als das Vorgenannte. Ein Reihenmittelhaus, Neubau, drei Vollgeschosse plus Keller, Westgarten, 140 qm Wohnfläche auf 288 qm Grund.
Ergo: Kompromisse sind das A und O einer erfolgreichen Immobiliensuche. Ergänzend empfehle ich unbedingt, sich mit Literatur einzudecken UND sie auch zu lesen. Stiftung Warentest, ZDF WISO und andere haben Leitfäden zum Kauf von gebrauchten Immobilien herausgegeben. Sehr interessant! Denn gerade ich als Totallaie wäre in mehr oder weniger jede Falle getappt.
Der Vollständigkeit halber sei noch erzählt, dass wir uns diverse Alternativen angeschaut haben, bis wir schlussendlich das jetzige Objekt gekauft haben.
Da waren einige Eigentumswohnungen. Eine hatte 150 qm in schöner Steglitzer Lage, preislich im Rahmen. Öhm ja, als wir zur Besichtigung mit einem Makler kamen, waren wir nicht die einzigen Interessenten. Das halte ich für echt unseriös. Bei solchen Investitionen sollte man allein Zeit für Ansicht und Fragen haben. Aber... Ich habe auch von noch schlimmeren Fällen gehört, wo sich die Interessenten beim ersten Termin gegenseitig hochgeboten haben sollen. Naja, wer's braucht... "Kleiner" Knackpunkt an den 150 qm war dann, dass die Bude noch bewohnt war und der Mieter einen gültigen Vertrag hatte. Er hatte sich bislang allen Auszugsangeboten widersetzt. Schöne Aussicht also. Ach egal, meinte der Makler, er sei zuversichtlich, dass man den auch noch loswürde. In der Zwischenzeit sollten wir uns eine andere Wohnung anschauen. Die, um die es in der Anzeige ging, sei - leider, leider - nicht zu besichtigen.
Ok, Knaller, der Makler also ein echter Vollprofi, vertrauenwürdig und kundenorientert. Ich dachte, ich platze...
Nicht überraschend, dass die dann alternativ gezeigte Wohnung teurer war - klar, 3. statt 1. Etage - und bereits "entmietet". Musste nur noch modernisiert werden - was nicht im Kaufpreis enthalten sein sollte. "Um die 50.000 EUR" schätzte der Makler. Die Hausnummer war sicher so seriös wie sein sonstiges Gebaren. Ja, es war eine schöne Wohnung, aber das Drumherum erschien uns viel zu unberechenbar. Weg hier, weiter suchen.
Ebenfalls in Steglitz fanden wir ein weiteres Angebot. Ein Altbau mit Berliner Zimmer, um die 140 qm, Modernisierung hatte gerade begonnen. Hingefahren, angeschaut. Schön, aber wieso ist die Bude so dunkel - im 3. Stock? Kurz mal den Stadtplan ins Gedächtnis gerufen, aha, die Ausrichtung ist nach Norden. Hier sieht man NIEMALS das Sonnenlicht. Nie. Weg hier, weiter suchen.
Das Nachbarhaus wurde auch gerade gemacht. Hm, ein Bau aus den 50er Jahren. Hellhörig also, keine hohen Decken, wie im Altbau. Aber schauen kostet ja nix.
Der Eigentümer ließ den Ausbau machen, es würden keine Maklerkosten anfallen. Ein Pluspunkt. 3. Etage, zur ruhigen Südseite, ins Grüne, gute Infrastruktur rund ums Haus. Nicht so schlecht. Aber... kann man das Kind hier im Garten spielen lassen? Nein. Das ist eine Stadtwohnung. Ok, meiner Frau gefällt das in der Tat billig wirkende Buche-Stäbchen-Laminat nicht. Der Schnitt ist nicht ideal, die Wohnung ginge über die gesamte Etage, die beiden größten Zimmer bekämen den Durchbruch, die beiden Balkone allerdings liegen an anderen Zimmer an... Hmpf... Wir könnten auch die Hochparterre-Wohnung haben, sagt der Eigentümer, gleicher Schnitt plus alleiniges Sondernutzungsrecht am Garten. Oh, Garten. Anschauen!
Was für ein Grundstück, das ist ein halbes Fußballfeld von einem Garten.
Ja, und vor Neid spucken dir die Kinder der Nachbarn aus den oberen Etagen auf die Terrasse..., sagt meine Frau. Ok, sie ist nicht soooo begeistert. Aber was soll's, es muss beiden gefallen und die Kompromisse - Hauptthema meiner Ausführungen hier - müssen so deckungsgleich wie möglich sein, damit man ein gemeinsames Projekt findet.
Na gut, gegen Hochparterre spricht vor allem, dass ich NIE wieder im Hochparterre wohnen wollte, schon seit Jahren nicht. Zweimal war genug für ein Leben, ich hasse das. Darüber kann auch der schöne Garten nicht trösten und der selbe suboptimale Schnitt wie in der 3. Etage. Also, Haken dran, die Wohnung war es nicht.
Wir haben auch gebrauchte Häuser angeschaut.
Mir gefiel ein baufälliges Objekt im baden-württembergischen Viertel. Haus aus den 30ern, große 85 qm Grundfläche, zwei Vollgeschosse. Preisaufruf vom Makler - eine völlige Utopie von über 300.000 EUR. Der Keller nass, das Haus seit zwei Wintern unbeheizt, Frost- und Wasserschäden, das schöne Stäbchenparkett bereits aufgefaltet von Feuchtigkeit (*schnüff*). Und dann die Geschichte dazu... Oh man. Es sind eigentlich zwei Häuser auf einem Grundstück, ja der 70er Jahre Bungalow in der zweiten Reihe ist auch zu haben, eine Teilung soll noch gemacht werden, man könnte auch beide nehmen, nur 250.000 EUR für das andere noch dazu. Ein Bungalow, als Fertighaus (!!!), mit Nachtspeicherheizung (!!!!!). Für eine Viertelmillion. Neee, is klar, du...
Die Sanierung des großen 30er Jahre Baus würde mindestens noch 100.000 EUR verschlingen. Mein Laienauge sagt: Abreißen und neu aufbauen. Wäre vielleicht besser, sicher aber nicht teurer... So ein Restaurierungsprojekt ist allerdings nicht kompromissfähig und irgendwie auch logisch, bald kommt das Baby, wir haben beide anstrengende Jobs, wer soll denn hier den Baumeister mimen? Dazu noch als Laie... Das Umfeld vom Haus wäre ok, nah am Wasser, S-Bahn in Laufweite, Supermärkte nicht zu weit... Aber, jaja, verstanden, kein Abenteuer namens Eigensanierung. Und überhaupt, der Straßenname geht ja gar nicht, sagt meine Frau, okeee, wenn das sooo ist, dann natürlich nicht. Hehe...
Ein weiteres Haus in Lichterfelde haben wir angeschaut, circa 20 Jahre alt, in der zweiten Reihe, Garten sehr gepflegt, preislich wie alle in dieser Gegend und dieser Größe. Wir fahren also hin, schauen uns um, nette Leute, netter Makler, Obergeschoss mit arg schrägen Wänden, wo soll denn hier ein Schrank stehen? Aber das Wohnzimmer - ein Traum, groß, mit Kamin, ich liebe Kamine, und mit großer Fensterfront zum ruhigen Garten. Könnte vielleicht was sein, mal sehen, ob die Dachschrägen kompromissfähig sind. Zum Abschied klopfe ich noch die Küchenwand ab, um zu sehen, wie wir eventuell den Grundriss ändern könnten. Blöp! Da platzt mein Bild von einem Haus - es ist ein Fertighaus... Aaaaaargh! Pappwände, hohl, billig, nicht versetzbar, schwer zu dübeln. Ey, soooo hatte ich die Immobilienanzeige nicht verstanden, auch beim späteren Nachlesen nicht. Sehr ärgerlich, wenn also Angebote so beschrieben werden, dass nicht klar wird, was wirklich zum Verkauf steht. Oder ich einfach zu blöd war, richtig zu lesen, kann natürlich auch sein.
Irgendwann in dieser Zeit lag Post von der Interhomes im Briefkasten, eine Art zweiter Versuch. Im Baufeld seien jetzt noch mehr Häuser zum Verkauf freigegeben, eine aktuelle Preisliste war dabei. Oh, sie haben im Vergleich zu vor ein paar Wochen die Preise erhöht. Saftig. Naja, trotz der Bedenken wegen des Kraftwerks sind wir noch mal hingefahren, haben das Musterhaus nochmals angeschaut, mehrmals angeschaut. Und ja, das gefiel uns. Alles schön neu hier, massive Steinbauweise, großzügig genug für unseren Geschmack. Wie wäre es also, wenn wir ein Grundstück in Erwägung ziehen, das nicht direkt auf das blöde Kraftwerk schaut, sondern es nur "im Rücken" hat, sprich, unser Garten davon wegginge? Beim Blick auf den Verkaufsplan wurde sofort klar, dass die besten Lagen bereits reserviert oder verkauft waren. Merde, zu Ostern hätten wir noch eine Chance gehabt. Aber jetzt nicht mehr. Ok. Wieder Zeit für Kompromisse. Und die ließen sich finden.
Wir hatten nun einiges gesehen. Wir wussten was wir nicht wollten, wo wir nicht wollten und welchen Schuldenberg wir nicht wollten. Wir wollten auch nicht mehr ewig warten, denn auch die Zinslage war gerade extrem günstig. Das Baby war gerade geboren. Nägel mit Köpfen waren gefragt, bald. Ein wesentliches Kriterium für den Kauf einer Immobilie habe ich noch gar nicht erwähnt: Lage, Lage und nochmals Lage! Wenn ein Traumpalast im Nirgendwo steht, will ihn später keiner haben. Hier in dieser Gegend ist unsere Art von Haus ziemlich begehrt und populär. Hier wohnen viele Familien und werden immer Familien wohnen. Wir haben jegliche Infrastruktur in Laufnähe. Und wir sind in Berlin, nicht im Umland. Als dann meine Hauskauf-erfahrenen Schwiegereltern etwas später zu Besuch waren und uns ins Musterhaus begleiteten, fiel der Hammer ganz spontan, wie der letzte Schubs, den man braucht, um etwas zu wagen. Wir hatten uns nun wochenlang mit diesem Baufeld beschäftigt, es verworfen, dann neu entdeckt, Kompromisse gemacht und nun gefiel es uns. Eigentlich waren wir schon auf dem Heimweg, als meine Schwiegermutter uns klar und deutlich zum Kauf ermunterte, nach Abwägung von, in der Tat, vielen Fragen und Aspekten. Also hab ich die Reservierungsgebühr aus dem Automaten gezogen und, Absatz kehrt, das einzige noch in Frage kommende Grundstück reserviert.
So! Schampus! Damit waren wir im Spiel. Kam mir vor, als hätte ich den Bauern von e2 auf e4 geschoben. Nun sollte es losgehen mit Sonderwünschen, Materialauswahl, Bauplänen, Finanzierung und vor allem warten, warten, warten, denn zwischen Kauf und garantierter Übernahme sollen 15 Monate liegen. Klar, es hätte vielleicht schönere Grundstücke gegeben. Es hätte hier größere Häuser gegeben. Es hätte auch Kleinmachnow, Teltow, Heiligensee oder Mariendorf gegeben. Hätte, hätte, hätte... Hätte pennt im Bette, so einfach ist das. Gerade die anderen Gegenden hätte ich nicht haben wollen. All diese schöneren, größeren Hättes hätte man Wochen oder Monate vorher kaufen können. Nun waren sie aber weg. Ohne uns. Und damit fertig. Ohne Kompromisse würden wir vielleicht noch immer suchen. Ich kenne Leute, die suchen ihr Leben lang und machen's doch nie.
Schlussendlich, manchmal braucht noch ein extra Quäntchen Glück oder zwei... In unserer Häuserreihe verfiel eine andere Reservierung. Das Grundstück ein bisschen größer, die Lage näher, ruhiger und schöner zur Mitte des Baufeldes, freier Blick auch nach Westen. Nach unserem Gusto eine bessere Lage als das bislang von uns angedachte. Wir haben spontan die Reservierung geändert und das freigewordene Stück genommen. Nägel mit Köpfen halt.
Und das mir so verhasste Kraftwerk wird ab 2015 zurückgebaut. Die Schlote werden niedriger, nur zwei von dreien bleiben, ein Kühlturm wird abgebaut, die ganze Anlage entzerrt und somit weniger wuchtig in ihrer Optik. Da hat sich mein Kompromiss halbwegs von selbst aufgelöst. Glück.
Am 30. September wurde der Kaufvertrag notariell beurkundet!
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